Sanierung Kirche Marienhausen

St. Vincenzstift Aulhausen, Rheingau-Taunus-Kreis

Baubeschreibung:

Die um 1219 geweihte Kirche hat nur noch in den Grundmauern ihren romanischen Kern bewahrt. Es wurden immer wieder Bauänderungen durchgeführt. So entstand im 14. Jahrhundert das gotische Maßwerkfenster in der Westfassade. 1698 und 1724 erfolgte die Aufweitung der Fenster in Langhaus und Chor zu ihrer heutigen Größe. Die Flachdecke und das Chorgewölbe wurden abgebrochen und durch eine Holztonne ersetzt. 1887 erhielt der Kirchenraum eine neugotische Ausmalung.

Bei einem Großbrand um 1915 brannte die Kirche bis auf die Grundmauern aus. Danach war sie 10 Jahre als Ruine ungeschützt der Witterung ausgesetzt (Foto unten links von 1924). Um 1925 wurde der Wiederaufbau der Kirche in äußerst schlichten Formen abgeschlossen.

Foto oben links: Archiv St. Vincenzstift ; Foto oben rechts: Reinhold Nägler
Fotos unten: Horst Göbel, www.goebel-publikationen.de

In der Nachkriegszeit wurden zahlreiche Umbauten vorgenommen, die dem Bauwerk nicht immer gut getan haben. Das Kirchenschiff erhielt eine vorgeblendete Holzdecke und im Chor ein betoniertes Gewölbe, das abgesehen von der unglücklichen Proportion auch zu statischen Problemen führte. Eine damals vorgenommene Tieferlegung des Geländes bis zur Fundamentsohle sowie die Schubkräfte der Dach- und Gewölbelasten führten im Chor zu deutlich sichtbaren Rissen im Mauerwerk. Sehr negativ auf den Feuchtehaushalt der Kirchenwände wirkten sich auch die damals aufgebrachten Zementputze und deren Abdeckung mit einem vollflächig verklebten und mit Dispersionsfarben gestrichenen Gewebevlies aus. Diese wasserundurchlässige Konstruktion führte zu Feuchte- und Putzschäden in allen Fassadenteilen. Die betonierte Empore verstellte das spätgotische Fenster in der Westwand.

Sanierungskonzept:

Die Chor-Außenwände wurden in mühsamer Handarbeit abschnittsweise in einer Tiefe von 80 cm und einer Breite von 1,20 Meter durch Unterfangung der Fundamente stabilisiert. Durch den zusätzlichen Einbau von stählernen Zugankern konnte die fehlende Längsaussteifung im Dachtragwerk des Chores kompensiert werden. Die frei sichtbar durch das Chorgewölbe verlaufenden Zuganker stellten die wirtschaftlichste Lösung dar und erschienen unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten vertretbar, da dem Gewölbe keinerlei künstlerische Bedeutung beizumessen war. Alle späteren Einbauten der Nachkriegszeit wurden wieder zurück gebaut. Nach kompletter Abnahme aller Putze erfolgte ein Neuverputz mit einem reinen Kalkputz.

Die Neugestaltung der Kirche

Heute präsentiert sich die ehemalige Klosterkirche durch den Rückbau der nach 1915 entstandenen Einbauten wieder in einem stimmigen Gesamtbild, dessen archaische Kargheit unmittelbar an die Entstehungsgeschichte der Kirche als Gründung durch Zisterzienserinnen erinnert. Trotz weitest gehender baulicher Erneuerung und einer sehr eigenwilligen Interpretation des liturgischen Raumprogramms hat der Kirchenraum durch die Sanierungsmaßnahme deutlich gewonnen.

Die künstlerische Ausgestaltung erfolgt durch die Behinderten selbst und wurde vom Atelier Goldstein der Lebenshilfe Frankfurt betreut. Daher wurde der Kirchenraum in zurückhaltender Farbigkeit und mit einfachen Materialien ausgestattet. In der Westfassade wurden die ersten neuen Kirchenfenster eingebaut. Der Künstler Andreas Skorupa hat die Motive der Fenster - die Unbegreiflichkeit Gottes und die Schöpfungsgeschichte - in beeindruckender Weise interpretiert. Die fünf Fenster im Chor entstanden aus 20 Entwürfen und beinhalten die Hoffnung auf und Vollendung der Auferstehung.

Die den Chor dominierende Christusfigur von Julius Bocklet verkörpert das Bild Gottes und wurde aus einem 300 Jahre alten Eichenstamm heraus gearbeitet.

Aufwändig gestaltete sich auch der abstrahierte Engelsflügel, der auf Grundlage eines Entwurfes von Birgit Ziegert als ein 10 Meter langes Bodenkunstwerk mit Neusilberstreifen in den Industrieestrich eingearbeitet wurde. Der Fließestrich musste dabei mühsam von Hand in die engen Zwischenräume eingebracht werden.

Fotos oben: Atelier Goldstein, Frankfurt

Baukosten:

Geschätzt:
Abgerechnet:

rd. 400.000 € (ohne künstlerische Ausstattung)
rd. 495.000 € (ohne künstlerische Ausstattung)

Information:


Links:


www.st-vincenzstift.de
www.atelier-goldstein.de

Filmbeitrag HR Hauptsache Kultur: Outsiderkunst in der Kirche

Filmbeitrag 3sat: Ein Engel auf dem Boden